Quelle: Offenbachpost 14.10.2025 – Chritstine Ziesecke –
Während ältere Menschen ihre Hobbys eher als beruhigend, erfüllend und wohltuend empfinden, wechselten Jüngere häufiger zwischen den Aktivitäten. Sie lassen sich stärker von Trends oder Social Media inspirieren – oder sie gehen ganz einfach ihrem Bauchgefühl nach, wonach es einfach toll ist, etwas aus eigener Hand Gemachtes wachsen und gelingen zu sehen, neben dem Stricken oder Häkeln auch Kaffee trinken, mit alten oder neuen Freunden quatschen zu können oder gar einen Film anzusehen: Popcorn raschelt, die Lichter gehen aus, und plötzlich hört man im Kinosaal… das sanfte Klappern von Stricknadeln? Willkommen im Strickkino, dem Trend, der Film und Handarbeit vereint. Was in Österreich und Finnland längst begeistert gefeiert wird, schlägt auch hierzulande erste Wellen und zahlreiche Städte bieten ganz bewusst Vorstellungen an, in den gestrickt oder gehäkelt werden kann. Im Internet ertrinkt man fast in DIY-Tipps, dem „Do it yourself“, quer durch alle Bastel- und Handarbeits-Chats, YouTube oder sonstigen Kanälen. Vielleicht ist es ein Bedürfnis, nach Online-Erlebnissen nun wieder etwas Haptisches, etwas Greifbares zu produzieren, und vielleicht merken die Menschen, ganz gleich welchen Alters, wie entspannend und gut für Körper und Geist Handwerken und Handarbeiten ist.
Kein Wunder also, dass mehr als 20 Anmeldungen den Organisatorinnen des ersten Strick- und Häkelcafés im Rahmen der Quartiersarbeit im Bürgertreff Waldacker ins Haus geflattert waren. 22 Teilnehmerinnen saßen schließlich tatsächlich in allen verfügbaren Räumen und kamen bei Kaffee und Gebäck ohne jede Hemmschwelle ins Gespräch. Von gehäkelten bunten Glückswürmchen bis zu schneeweißen Engelchen mit einem Dauerlicht unterm gehäkelten Rock, von angefangenen Socken mit besonders schöner melierter Wolle von Irmgard Schrod bis zu zwei Pullovern von Stefani Klöckner und Marion Fleischer mit Norwegermustern in der Schulterpartie – einer schon fertig, jener der Freundin noch an den Ärmeln ausbaufähig – fast jede der ausschließlich weiblichen Teilnehmerinnen hatte ein angefangenes Werkstück dabei oder konnte zuletzt zumindest eines mit nach Hause nehmen. Wie etwa Ursula Müller, die zu diesem Nachmittag auch erstmals in den Bürgertreff gekommen ist, nachdem ihre Tochter davon gelesen hatte, und nun mit einem angefangenen kuschelweichen Yogasocken nach Hause geht.
Das Café bringt im Bürgertreff Menschen zusammen, die sich sonst kaum treffen würden – aus allen Ortsteilen, aber auch mit einer erfreulich großen Altersspanne zwischen den Teilnehmerinnen – Die Älteste ist an diesem Nachmittag 82 und stets auf dem Laufenden: „Das liegt an unserem Quartierstrainer Johannes Ohnesorg, der uns hier unter anderem online auf Trab hält!“ Die Jüngste, Celina, ist gerade mal 25 und hat sich sehr über diesen Termin, den sie in der Zeitung gelesen hat, gefreut: „Ich bin noch recht neu hier, der Umzug und das Einrichten sind erledigt, und das Gartenjahr ist jetzt auch vorbei. Ich bin jetzt zum ersten Mal hier, war im letzten Monat auch schon im SchillerHaus bei einer Veranstaltung. Ich bin sehr kreativ und will immer irgendetwas Neues machen!“ Selbstverständlich trägt sie einen selbstgenähten (und rechtmühsam zu gestaltenden) Rucksack auf dem Rücken (mit dem Stolz jeder Handarbeiterin: dem eigenen Label, mit dem die fertigen Werkstücke gekennzeichnet werden), und häkelt gerade einen Dinosaurier – in rosa! „Die Beine müssen noch dran, und ein Gesicht braucht er auch noch!“ Die anderen Teilnehmerinnen bewundern ihr Talent und ihre Offenheit. Und sie staunen auch über die von einem anderen Häkelfan gestalteten Glückswürmchen oder die schneeweißen Engel, den ein Dauer-Teelicht unter seinem Häkel-Rock zum Leuchten bringt. Hier steht jeder Teilnehmerin völlig frei, was sie machen möchte – vom gehäkelten Dino bis zu den Yoga-Socken. Einzig Annemarie Eck, die für die Quartiersgruppe Waldacker dabei ist, hilft nur bei der Grundversorgung: „Ich bin fürs Stricken völlig ungeeignet – schon im Unterricht in der Schule haben alle gestrickt, während ich eine Schürze nähen musste – ein deutliches Zeichen!“ Das nehmen die beiden Organisatorinnen Heike Rohde und Marion Fleischer, die selbst seit vielen Jahren ihrem Hobby nachgehen, lachend zur Kenntnis. Auf Marion Fleischer trifft da eher das Gegenteil zu: „Ich hänge schon mein Leben lang an der Nadel, meine Mutter und meine Oma haben mir das schon nahegebracht.“ Aber sie beugt vor: „Und eines ist klar: wir geben hier keine Strickkurse! Wir unterstützen, wo es geht, und geben Tipps und Anregungen – und wir wollen zeigen: es gibt so viel mehr als rechte und linke Maschen und auch feste Maschen und Stäbchen zu entdecken!“ und die beiden Kursleiterinnen, die sich auch übers Stricken in einer „Strick Community“ kennen gelernt haben, fassen es darüber hinaus zusammen: „Stricken ist unter anderem gut fürs Gehirn: die Hand ist beschäftigt, der Kopf ist auch beschäftigt, und hier trifft man dabei noch nette Menschen!“
Das wollen sie beim nächsten Termin am Samstag, 15. November, wieder unter Beweis stellen, wenn ab 14 bis 17 Uhr im Strick- und Häkelcafé im Bürgertreff in Waldacker wieder die Nadeln fliegen werden – natürlich auch mit Kaffee und Kuchen. „Im Dezember werden wir eine Pause machen – da gibt’s bei jedem genügend Weihnachtsfeiern und andere Verpflichtungen. Und wie es danach weiter geht, werden wir beim nächsten Mal besprechen“, macht Heike Rohde zum Abschied Hoffnung für alle. Der Kontakt: marion@quartier-waldacker.de
Zu guter Letzt hatte die Leiterin des Ehrenamtsbüros und derzeitige Quartiersmanagerin Ute Schmidt eine große Bitte: „Ich wünsche mir einen Strick- und Häkelkurs oder auch Nähkurs für Kinder, gerade jetzt im November und Dezember, hier im Bürgertreff!“ Die beiden Leiterinnen des ersten Strick- und Häkelcafés in Waldacker mussten da aus Zeitgründen bedauernd ablehnen, aber vielleicht findet sich auf diesem Wege eine Strickoma oder ähnlich begabte und mit Erfahrung mit Kindern ausgestattete Kraft, die hier helfend einspringen kann: Kontakt über Ute Schmidt, Stadt Rödermark, Telefon 06074 911-671 oder -672; ehrenamtsbüro@roedermark.de













Foto: Chr.Ziesecke und B. Berger